Bremen, Hamburg und Lübeck anstatt Tokio, Kyoto und Hiroshima: Also warum in die Ferne schweifen, wenn Corona einen bindet. Dass in diesen Sommermonaten einiges anders sein wird, stellte so manchen planungsgewöhnten Reiselustigen vor Herausforderungen.
Nachdem der geplante Nippon-Trip gecancelt werden musste, nutzten wir das weiße Gefährt mit dem roten Streifen um im Norden Deutschlands dem subtropischen Klima zu frönen.
Bremen war unsere erste Station. An die Stadt des notorischen HSV-Bezwingers (und ehemalige Arbeitsstätte des Muskelfetischisten Tim Wiese) hatte ich nur noch blasse Kindheitserinnerungen.
Geschichtsträchtige Haustiere: „Das Ensemble Grimm“
Wo die Bahnen wie in Freiburg rauschen: Bremer Innenstadtansichten
Um ehrlich zu sein, lässt mich Bremen an eine fiktive Ruhrpottstadt in Südostasien denken. Viel Grau, eine wirre Kombination von aneinandergereihten Bauwerken und last but not least eine extreme Schwüle machten mir zu schaffen.
Das „Kelloggszwinkersmiley“
Hitzewallungen Am Wall
Da wo´s funkelt, ist es schön: Der Bremer Rathausplatz
…und seine Seitenansicht.
An der Weser: Norden ohne Wasser geht nicht.
Elend in den Straßen: Obligatorisch und dennoch allgegenwärtig in der „grünen Rautenstadt“.
Ich gestehe, dass die Stadt und ich keine großen Freunde geworden sind. Urbaner Charme mit allem Drum und Dran ist seit jeher ein Faszinosum, welches mich in die unterschiedlichen Metropolen zieht. Fernab von gecleanten Marktplätzen interessiert mich gerade auch das sogenannte unkonventionell Schöne mit seinem eigenen Reiz. Leider ist bis zuletzt der Funke nicht übergesprungen.
Für´n Arsch? Na, wollen wir nicht zu hart sein…
… wer entlang der Weser am Osterdeich in Richtung Stadion schlendert, und auf Höhe Sielwall links einbiegt, findet ein durch und durch schnuckeliges Idyll mit kleinen Straßen, netten Häuschen und einer außergewöhnlich schönen Atmosphäre vor. In und um die Hamburger Straße herum kann man sich kulinarisch in allen Variationen in lässig/lockeren Lokalen mit kleinerem Budget rundum verwöhnen. Leider war es meiner Müdigkeit und des Hungers geschuldet, hiervon keine Impressionen mehr eingefangen zu haben.
Weils so schön funkelt zum Abschied das Bremer Rathaus im Blau des Abends.
In Hamburg:
Für den Tagestrip in meine alte Heimat hatte ich mir klare Ziele gesetzt: Ich wollte lange Fußwege in der großen Stadt meiden und mir war nicht danach, das x-te Hafenbild zu schießen. Gleich ums Eck vom Hauptbahnhof befindet sich das Kontorhausviertel Hamburgs mit dem bekannten Chilehaus, dem Sprinkenhof und anderen weniger bekannten Gebäuden mit faszinierenden Treppenhäusern.
„Am seidenen Faden“: Das Chilehaus von außen in Schräglage…
… und in der Innenansicht.
Spiralform im Sprinkenhof 8a
Blickaufwärts: Treppenschnecke im Sprinkenhof.
Nur keine Hemmungen, die meisten Gebäude sind frei zugänglich, wenn nicht kann man immer gerne jemanden, der dazugehört, fragen. Ich habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht und sogar den ein oder anderen Tipp mit dazu bekommen, z. B. die Empfehlung das Gebäude 8a zu besuchen.
Weiter ging es nach ein paar Stationen mit der U-Bahn bis zum Baumwall, über die Landungsbrücken und die Hafenstraße ins Herz von St. Pauli. Dort kam ich fast ausgetrocknet an, da auch in Hamburg ein ganz neues Feeling sich breitmachte, nämlich extreme Schwüle.
Hauptsache WLAN: Zentrale Wohnlage am Hafen.
In der Umgebung der Herbertstraße habe ich mir mit einigen Litern Wasser die verlorenen 3 Liter Nässe wieder zugeführt und mich dann in die tote Meile verirrt. Alles verbarrikadiert, mit Plakaten zugepflastert. Obwohl üblicherweise Frauen in diesem Straßenabschnitt nicht erwünscht sind, trauten sich auch einige Passantinnen hinter die Barriere. Dort konnte ich ganz ungeplant eine ganz spezielle „Corona-legt-alles-flach“-Serie einfangen.
Versperrtes Liebesnest: Keine Erfolgsaussichten für den lustgeschwängerten Herren.
Zum Trotz: Corona deMASKIERT auch wieder die Klassengesellschaft.
Wo der Ball schon lange wieder rollt, werden Sexarbeiterinnen mitunter in die Illegalität gezwungen.
Vergebliche Suche nach dem Koitus.
Unsere dritte Station war Lübeck. Wer kennt sie nicht, die Lübecker Nachrichten, die Lübecker Bucht oder das Lübecker Marzipan. Aber ich habe mich in die krummen Salzspeicher direkt neben dem Holstentor so verguckt, dass man von Liebe auf den ersten Blick sprechen kann.
Morgens, mittags, abends, zu jeder Tageszeit ein Hingucker, den ich auch mehr als einmal eingefangen habe. Die Klinkergebäude dienten ursprünglich zur Lagerung des Salzes, welches dann in Richtung Skandinavien weitertransportiert wurde. Heute befindet sich ein Textilhaus darin. Schön finde ich dabei, dass die Bauten recht frei von irgendwelchen Werbetafeln o. a. gehalten werden.
Der frühe Vogel fängt den (noch) wolkenlosen Himmel.
Wie auch der späte Vogel, am Abend, wenn der Himmel wieder blau wird.
Wer vom Hauptbahnhof kommend in die Innenstadt eintaucht, kommt direkt am Holstentor vorbei. Die etwas reiferen Semester werden sich noch erinnern, dass der schmucke Bau einmal unseren 50 Markschein zierte.
Von Westen kommend…
oder von der Altstadtinsel aus gesehen, das Stadttor mit seiner ganz individuellen Lichtanlage.
Im Kern angekommen lohnt es sich auch für Atheisten, Agnostiker oder Katholiken nach einigen Metern rechts der St. Petri-Kirche einen Besuch abzustatten. Die Kirchenhalle ist komplett leer und wird mitunter für Kunstprojekte genutzt. Im August hatte der Künstler Christoph Faulhaber die Räume mit übergroßen, bunten Bällen geflutet. Wenn mittlerweile auch schon Vergangenheit, für Interessierte der Link: Parasocial
Gleich angekommen, St. Petri im Visier.
Manche wollen immer mit dem Kopf durch die… Bälle.
Das gelbe Gebot „Du sollst nicht dem Müßiggang frönen“.
Weitere Stadtansichten:
Skulptur auf der Puppenbrücke
Neigung für Neues!
Ensemble verschiedener Bauteile: Eines der schönsten Rathäuser in unseren Gefilden.
Abwechslung für Vier- und…
…Zweibeiner, mit Pfötchenwaschreminder.
Auch die Sparkasse rückt nichts mehr raus. Müder HSV´er im Zweitliga(alp)träumerchen.
Heißer Tipp:
Wer sich gerne der „Süssen Sauereien“ hingibt, sollte unbedingt die Konditorei Uter in der Fleischhauerstraße besuchen. In dieser modern eingerichteten Bar kann man sich ganz dem zuckersüßbetörenden Gebäck hingeben und dem Chef beim Mischen seiner Knusperchen über die Schulter schauen.
Stylisch: Ein Träumerchen für Glubscher und Mundhöhle.
Der Meister der gezuckerten Verführung: Aurèle Uter/Uter Konditorei
Blau steht Lübeck gut: Die Stadt der sieben Türme und der Giebelhäuser zum Abschied lieblich gelichtet.
Man muss nicht in die Ferne schweifen, wo das Schöne liegt so nah: schwindelerregende Treppenhäuser, regenbogenähnliche Geysire, ein süßer Konditor und ein bezauberndes Lübeck.
Hallo Maxi,
vielen Dank, perfekte Analyse mit nur einem Satz;-)
Lübeck und Hamburg sind nicht Tokio oder Kyoto, hab ich auch schon mal festgestellt vor 25jahren aber auch schön, anders. Bremen kann ich nicht do mitreden
Hallo Karin,
dann gibt es für dich wohl nur eins: Ab mit dem WE-Ticket in der Schienenlimo, knapp 200 km in Richtung Südwesten.